Grundlagen und Aufgabe der Bühnenbeleuchtungskunst

Ein Beitrag zur Bühnenbeleuchtungskunst

Dieser Artikel wurde im Rundbrief der Sektion für Redende und Musizierende Künste Nr. 27 im Januar 1997 veröffentlicht. Da der Rundbrief zweisprachig erschienen ist, ist er auch ins Englische übersetzt worden.

von © Arnold Johannes Jäger

Es war eine bedeutende Schicksalsfügung für die Entstehung und die Entwicklung der anthroposophischen Beleuchtungskunst, daß Rudolf Steiner dem jungen Physik-Studenten Ehrenfried Pfeiffer begegnete, der in der Lage war, die Anweisungen Rudolf Steiners umzusetzen und selbständig daran weiter zu arbeiten. Vor 75 Jahren nahm er auf der Bretterbühne in der Schreinerei die erste Beleuchtungsanlage in Betrieb, die unter Rudolf Steiners Anleitung gebaut wurde. Seitdem ist das Grundprinzip dieser Bühne von vielen anthroposophischen Einrichtungen übernommen worden. Dies war auch die Zeit, in der die Eurythmie begann, in die Öffentlichkeit zu treten und in der die Eurythmiebeleuchtung entwickelt wurde. Nur kurze Zeit, nachdem Ehrenfried Pfeiffer die Beleuchtung der Schreinereibühne fertiggestellt hatte, baute er auch in das Goetheanum eine Bühnenbeleuchtung ein, die eine wesentliche Weiterentwicklung gewesen sein muß. Für das erste Goetheanum sollte Ehrenfried Pfeiffer nicht die bestehende Beleuchtungstechnik studieren und gebrauchen, sondern selber die benötigte Technik und die Beleuchtungskörper entwerfen. Sie sollte einen möglichst diffusen, dem Weichen des Tageslichtes ähnlichen Licht-und Farbenwechsel ermöglichen und so die Eurythmisten und Schauspieler ganz in die Farben einhüllen können. Ehrenfried Pfeiffer erreichte dieses mit Beleuchtungskörpern, deren Lampen unter einer farbigen Glaskuppel auf einem konvexen weißen Reflektor montiert waren.

Die Hauptbeleuchtung auf der Schreinereibühne war und ist auch noch heute eine Rampenbeleuchtung, das heißt: in möglichst dichter Folge sind viele Lampen in Reihen angeordnet. Zu jeder Lampe gehört ein Reflektor, der das Licht nach vorne richtet, durch einen Farbfilter tritt das Licht aus. Die Farben wechseln sich ab. Die Hauptbeleuchtung der kleinen Kuppel im ersten Goetheanum hatte das Prinzip umgestülpt: der Reflektor umschloß nicht die Lampe um das Licht zu konzentrieren, sondern war hinter der Lampe und verstärkte so die Streuung des Lichtes; der Farbfilter war nicht flach, sondern umhüllte die Lampe; die Reihe der Farben war nicht parallel zur Fußrampe, sondern von vorne nach hinten hinter den Säulen.

Die moderne Bühnenbeleuchtung ist den entgegengesetzten Weg gegangen

Die Beleuchtung hat sich seitdem von der Rampenbeleuchtung getrennt. In den Scheinwerfern wird das Licht mit Hilfe von Spiegeln und Linsen auf einen bestimmten Punkt konzentriert; damit wird durch Lichtpunkte das Wichtigste hervorgehoben und dadurch mit jedem kleinen oder großen Lichtpunkt ein neuer Raum geschaffen. Die modernen Flächenlichter sind so aufgebaut, daß sie das Licht auf eine genau abgegrenzte Fläche gleichmäßig verteilen; dieses kann man als eine Steigerung der einzelnen Zelle der Rampenbeleuchtung ansehen. Eine Steigerung, die es erlaubt, jede einzelne Lichtquelle für eine spezielle Aufgabe beim gleichmäßigen Ausleuchten einer Fläche, eines Horizontes oder eines Prospektes genau einzurichten.

Diese Art der Beleuchtung betont den Raum und kann gerade in den dramatischen Werken die einzelnen Positionen gut hervorheben. Der Wechsel von einem Licht-Raum in den anderen ist gut erkennbar und unvermeidbar. Diese Beleuchtungskörper sind so ausgelegt und werden so angewandt, daß in der Regel die Farbstimmungen der Helligkeit unterliegen. Soll eine Bewegung in einem mit farbigem Licht erfüllten Raum gezeigt werden, ohne daß immer neue Lichträume betreten werden und auch so, daß der geometrische Bühnenraum unwichtig und durch den Farbraum ersetzt wird, dann ist man mit den modernen Beleuchtungskörpern an einer Grenze angekommen. Für die Darstellung über- und untersinnlicher Welten, Wesen und Kräfte und damit auch für die Eurythmie ist eine Beleuchtung gefragt, die dem Wahrnehmen der Imagination entspricht. Und genau dafür war die Beleuchtung im Ersten Goetheanum ausgelegt.

Zur Beleuchtungstechnik und die Computerbedienung

Warum diese Trennung zwischen Beleuchtungskunst und -Technik? Für den Musiker ist es klar, daß das Instrument, welches er spielt, für die Ausübung seiner Kunst vorhanden und in Ordnung sein muß: ein Gesprächsthema ist es nur, wenn es nicht im gewünschten Maß für das Musizieren taugt. Bei den Beleuchtern ist es anders. Sie unterhalten sich ausführlich über jede Einzelheit ihrer technischen Apparatur. Die Bühnenbeleuchtung ist von der Technik bestimmt und nicht die Technik von dem Beleuchten! Geht es darum, eine bestimmte Technik anzuwenden, oder geht es darum, eine bestimmte Beleuchtung auf die Bühnen zu bringen? Nun, die Antwort scheint klar zu sein, je nach dem Standpunkt des Antwortenden. Ohne die Beleuchtungstechnik kann die Beleuchtungskunst nicht ausgeführt werden, jedoch die Aufgabe und der Zweck der Bühnenbeleuchtung lassen sich nicht aus der Beleuchtungstechnik ableiten. Für den, dem die Kunst selbstverständlich ist, ist diese Sachlage klar; aber für jemanden, der von der Technik fasziniert ist, gilt alles technisch Machbare als auf jeden Fall durchzuführen, egal um welchen Preis.

An dieser Stelle ist es interessant anzusehen, daß sich ein anderes ebenfalls hochtechnisches Instrument, nämlich die Orgel, eine wichtige Aufgabe in der Kirche, also in einem Bereich der Kultur, der die Menschen zum göttlichen führen will, entwickelte. Erst als die Technik der Orgel so weit entwickelt war, daß die Orgel den Organisten nicht mehr benötigte, ist sie zum Unterhaltungsinstrument (z.B. die Drehorgel) geworden und hat den Bezug zum Übersinnlichen und zur Kirche verloren. So wie die Technik der Orgel zugunsten der Musik in den Hintergrund tritt, so muß auch die Technik der Beleuchtungsanlage zurücktreten können.

Ein-Aus-Ein-Aus-Ein-Aus-Ein... - Das ist die dem elektrischen Strom eigene Schaltweise, die wir auch täglich sehr oft anwenden, meistens ohne uns darüber weitere Gedanken zu machen. Alles andere ist ein empfindliches Wechselspiel zwischen den Wasserwiderständen und Glühlampen: entweder gab es viel Licht auf der Bühne, oder das Wasser wurde heiß. Das gilt auch für alle anderen Widerstände, die für die Steuerung eingesetzt wurden. Seit der Entwicklung der Halbleiter wird auch die Helligkeitssteuerung durch schnelles Ein- und Ausschalten erreicht. (Eine Folge davon ist das Brummen der Lampen.)

Mit Einzug des Computers ist nun auch am Bedienungspult das Aus-Ein für jede Helligkeit gekommen. Diese Art des Schaltens ist der Elektronik so sehr zu eigen, daß die Menschen, welche die Anlage bauen, den Menschen vergessen, der sie als Werkzeug für das Beleuchten einsetzen will. Zahlen stehen dann im Vordergrund statt die zu steuernde Bühnenbeleuchtung. Die computergesteuerten Kleinpulte sind entstanden, als die Hersteller schon bemerkt hatten, daß die Beziehung zwischen den Bühnenbeleuchtungskörpern und den Bedienungselementen auf dem Pult doch wichtig ist. Die Hauptrichtung bei der Entwicklung von Beleuchtungsanlagen geht aber nach wie vor dahin, das Beleuchtungspersonal zu reduzieren. Erste Opernhäuser werden mit Anlagen ausgestattet, die es erlauben sollen, die gesamte Beleuchtung für eine Vorstellung am Computer außerhalb der Bühne zu fertigen, damit sie für andere Proben und Aufführungen frei ist; oder auch, das eine Probe aufgenommen wird; bei den Aufführungen sucht dann der Computer selbständig durch Auftritte und bestimmte Tonaktionen die Zeitpunkte für die Beleuchtungswechsel. Der Beleuchter hat so während der Aufführungen außer der Überwachung der Anlagen keine Aufgaben mehr. - (Wann spart man die Schauspieler ein?)
 

Soweit die Richtung, in welche die Technik geht. Wichtiger für uns ist es jetzt, sich die eigenen Erfahrungen mit dieser Technik anzuschauen. Üblich ist heute, daß die einzelnen Stimmungen für eine Aufführung der Reihe nach mit oder ohne Übergangszeiten abgespeichert werden und dann bei der Aufführung der Reihe nach wieder abgerufen werden. Das entspricht genau der früheren Praxis: die Stimmungen wurden mit den Zahlen für den Kreis und die Helligkeit aufgeschrieben und dann während der Aufführung wieder vom Papier auf das Pult übertragen. Aber ist das schon die Beleuchtungskunst? Vergleicht man die Tätigkeit eines Pianisten mit derjenigen, wie heute der Beleuchter arbeitet, dann ist die Antwort eindeutig: Nein! Denn einem Pianisten, der nur die Noten vom Blatt spielt, auch wenn alles richtig abgespielt ist, hört man nicht lange zu, denn es fehlt die Musik!

Beim Übertragen der Beleuchtung vom Papier weiß der Beleuchter im Voraus welches Licht, welche Stimmung kommen soll. Er kann diese Übergänge innerlich so begleiten, daß sie vom Menschen getragen ausgeführt werden. Es ist daher dem Beleuchter möglich, sehr fein mit dem Geschehen auf der Bühne zusammen die Beleuchtung zu wechseln und neu anzupassen; je weniger er auf das Papier gucken muß, desto besser wird es ihm gelingen. Beim Beleuchten aus dem Computerspeicher werden die Wechsel entsprechend der Stimmungsnummer im Text oder in den Noten übernommen und mehr technisch ausgeführt. Die innerliche Haltung des Beleuchters ist mehr ein Bangen darum, daß kein Wechsel verpaßt wird, und was, wenn er verpaßt wird, welche Stimmung kommt denn jetzt, und ist auch alles auf der Bühne so wie immer; also, die innere Anspannung ist nicht geringer, aber dafür mehr auf Äußerliches gerichtet. Das macht sich nach der Aufführung für den Beleuchtet deutlich bemerkbar. Nach der Aufführung ist der Beleuchtet immer erschöpft. Im ersten Fall, wo er aktiv die Stimmungen erzeugt, fühlt er sich nach der Aufführung erfüllt; im zweiten Fall, wo er immer darum bangt, daß alles nach Plan geht, fühlt er sich ausgelaugt und leer. Wenn man auf solche Gefühle achtet, gewinnt man eine neue Urteilskraft auch für den Umgang mit der Technik.

Ist das Computerpult eine Hilfe oder ein Hindernis?

Die Beleuchtungstechnik ist so weit fortgeschritten, daß man von ihr alles verlangen kann, was man braucht! Für die anthroposophische Bühnenkunst brauchen wir eine Beleuchtungsanlage, auf der der Beleuchter spielen kann, wie der Pianist auf dem Flügel oder der Organist auf der Kirchenorgel. Das zu realisieren ist heute mit Computerpulten leicht möglich, aber wir müssen es wollen und beim Hersteller durchsetzen, denn vom modernen Theater kommt es nicht! Wenn wir uns nicht um eine Beleuchtungskunst kümmern und sorgen, dann werden wir in Zukunft nur noch mit Pulten beleuchten können, die den Menschen ersetzen wollen, anstatt vom Menschen geführt zu werden. Hier haben wir Verantwortung und müssen handeln! Ebensowenig, wie es Sinn hat, die Technik des Konzertflügels selber zu bauen, genauso sinnlos ist es, die Beleuchtungspulte selber herstellen zu wollen.

Ist es nicht so, daß Ahriman*) seine eigene Welt mit dem von der Technik bestimmten Menschen aufbauen will und er damit sich selber (und seine Welt) in sich selbst verstrickt und fesselt? Und wir können, wenn wir das erkennen, mit ihm und ihn dadurch befreiend, seine Technik und Wesen in den Dienst der Menschheit und der michaelischen Wesen und Kräfte stellen. (Siehe hierzu die «Gruppe»*), die an zentraler Stelle im ersten Goetheanum aufgestellt werden sollte.) Eine besondere Möglichkeit bietet da die Bühnenbeleuchtungskunst, denn hier ist die Freiheit für die Art des Einsatzes der Technik sehr groß. Der Computer kann also eine große Hilfe sein beim Beleuchten, aber auch ein großes Hindernis und was er für uns ist, liegt an uns! - Leider sieht man, wenn man auf Tourneen durch die Schulen kommt, daß das Verständnis für den technischen Teil der Bühnen noch wenig ausgebildet ist. Die Menschen, die die Anlagen betreiben und betreuen, haben es dadurch oft schwerer als es nötig wäre.

An vielen Stellen ist zu beobachten, daß die von ahrimanischen*) Wesen inspirierten Künste die Menschen suchtartig an sich binden und damit einen großen Geldumsatz machen und brauchen. Unsere Kunst braucht Menschen, die sich aus dem eignen Willen aus den esoterischen Grundlagen einsetzen. Dann kann sie auch mit geringem Materialverbrauch und wenig Geld viel leisten. -Das gilt auch für die Beleuchtungskunst.

von © Arnold Johannes Jäger

*) Dieser Artikel wurde in einer Zeitschrift veröffentlicht, deren Leser diese Begriffe in dem bestimmten Sinne kennen. An dieser Stelle ist nicht der Raum, um sie Fremden ausführlich zu erklären. Ich bitte um Verständnis dafür.

Literaturhinweise:

Ehrenfried Pfeiffer in Das Goetheanum Nr.10/1940: Rudolf Steiner als Schöpfer einer neuen Bühnenbeleuchtungskunst.
Hedwig Greiner-Vogel in Das Goetheanum Nr.42/1969: Licht-Eurythmie.
Thomas Sutter im Rundbrief Nr.14 von 1984: Beleuchtungs-Eurythmie. Thomas Sutter in Stil, Sonderheft Michaeli 1994: Fragen des Lichtes und der Beleuchtung.
Alla Selawry: Ehrenfried Pfeiffer, Pionier spiritueller Forschung und Praxis.